Haltbarkeit – Eine literarische Reise in die eigene Schulvergangenheit

Nun einmal etwas ganz anderes. Hin und wieder stößt man ja beim stöbern in alten Sachen auf unerwartete Funde. Auch wenn der eigene Nachwuchs es nicht glauben mag, man(n) war auch einmal jung. So fiel mir beim Aufräumen gerade ein altes Gedicht in die Hände, an das ich nicht mehr gedacht hatte. In solchen Situationen wird einem dann wieder bewusst, wie alt man schon ist und das der Zahn der Zeit unaufhörlich an einem nagt. Wie passend, dass das Gedicht, dass ich da mit 17 Jahren schrieb ausgerechnet das Thema der Vergänglichkeit behandelte. Genau genommen, handelt es sich dabei sogar um meine erste Publikation, denn diese Zeilen hatten es immerhin in den Jahrgangsband unserer Schule geschafft. Man mag sich nun fragen, wie kommt ein 17jähriger auf die Idee, über die Vergänglichkeit zu schreiben?

Die Entstehungsgeschichte

Wir schreiben das Schuljahr 1993/94, ich war gerade in der 12. Jahrgangsstufe und hatte als Wahlfach  Literatur belegt. Bei der damit verbundenen schriftlichen Prüfung, für die ich drei Stunden Zeit hatte, stand ich plötzlich vor drei Optionen:

1. die Rezension eines Buches, das es für den Unterricht zu lesen galt, ich aber nie geöffnet hatte (was ein Fehler war, denn es handelte sich um Patrick Süskinds „Das Parfum„),
2. ein Gedicht zu schreiben, oder
3. eine fantastische Geschichte zu verfassen.  

Bei dieser Auswahl fiel mir die Entscheidung nicht sonderlich schwer. Das Buch hatte ich schließlich nie gelesen und Gedichte waren in meiner damaligen Auffassung  wohl doch eher etwas für Mädchen. Eine fantastische Geschichte, in meinem Falle eine Science Fiction-Geschichte, schien hingegen schon eher meine Sache zu sein (und meine Frau würde sicher ergänzen, dass dem auch heute noch so sei).


Aus der Not geboren 

Ich machte mich also ans Werk und began damit, einen Plot zu entwickeln. Leider war ich schon damals sehr selbstkritisch und verrannte mich daher immer wieder in verschiedenen Handlungsoptionen, die ich eine nach der anderen verwarf. Ideen hatte ich viele, es sollte sich aber einfach keine durchsetzen. Als ich dann irgendwann auf die Uhr sah, waren gerade einmal noch 15 Minuten übrig und ich hatte immer noch keine einzige Seite. Der Albtraum jedes Schülers. Massive Panik machte sich breit. Nur noch 15 Minuten – was sollte ich tun? Die Prüfung war so gut wie gescheitert.
Da kam mir die rettende Eingebung. Zeit für eine Geschichte gab es nicht mehr, aber vielleicht wäre das Gedicht jetzt ja doch keine so schlechte Option. Es müssen ja nicht lang sein und 15 Minuten sind doch allemal genug für ein paar Zeilen. Also gut ich war unter Zeitdruck. Aha, Zeit – ein gutes Thema. Und los ging es, ich schrieb einfach die erstbesten Worte, die mir durch den Kopf gingen nieder.  Innerhalb von wenigen Minuten stand das fertige Gedicht und es war sogar noch etwas Zeit übrig zum Korrektur lesen. Auch wenn es vermutlich kein Glanzstück war, würde ich doch wenigstens vielleicht nicht durchfallen, so zumindest meine Hoffnung.

Als ich dann am Ende die Bestnote bekam, war ich doch mehr als überrascht. Viel mehr dann sogar noch, als mir mein Lehrer ein zusätzliches Papier aushändigte. Er hatte sich tatsächlich die Mühe gemacht, einen Kommentar zu meinem Gedicht zu schreiben. Er war sehr tiefgründig und tatsächlich, da ließ sich doch einiges hinein interpretieren. Es war schon interessant zu sehen, wie viele profunde Gedanken mir mein Lehrer beim Schreiben zugetraut hatte. Dabei war die Sache doch viel einfacher. Ich überlegte kurz, ob ich ihm sagen sollte, dass das Gedicht eigentlich eine Notlösung war und ich mir eigentlich nicht so wirklich viel dabei gedacht hatte, aber geschenkt. Am Ende bat er mich dann sogar noch darum, das Gedicht im Jahrband der Schule abdrucken zu dürfen. Na ja, warum denn nicht, dachte ich erheitert, und stimmte zu.

In diesem Jahresbericht war es dann mit folgenden einführenden Worten meines Lehrers versehen:

[Das Gedicht] … ist unter dem Zeitdruck der Klausur entstanden. Ein Wagnis, denn die passenden Gedanken, Worte und Reime lassen sich nicht herbeikommandieren, – ein Wagnis, das der Autor mit Erfolg bestanden hat. 

Heute, mit etwas Abstand, frage ich mich selbst beim Lesen der Worte, ob ich mir damals nicht doch vielleicht tiefgründigere Gedanken gemacht hatte. Es wirkt in der Tat so, aber damals war ich mir dessen in jedem Fall nicht bewusst. Nun möchte ich Euch nicht länger auf die Folter spannen – hier also mein bis dato erstes und erfolgreichstes Gedicht, dass damit nun zum ersten Mal auch digital der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird:

Haltbarkeit

 Jeder Sinn kehrt sich um,
was nicht ist wird bald sein,
und jedes Problem verbleibt in Kürze als Schein.
So ist der Mensch reif,
und sein Wunsch wird nun wahr,
das letzte Geheimnis ist auch ihm endlich klar.
Die Kenntnis der Zeit raubt dem Schatten die Form,
und verwischt so die Bande von Klarheit und Norm.
Unendlich – dehnt er den Moment aus,
und er erfährt nun gottgleich,
sein selbst erbautes Himmelreich.
Was das bedeutet?
Was hieraus spricht?
Unvergänglich, wird nun jedes Gedicht.    

Autor: RS   

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